Ein Weg zum Imkern ohne Chemie

Geht das wirklich? Ist ein Imkern ohne Chemieeinsatz gegen die Varroamilbe möglich?

Dieser Frage stellt sich seit gut 20 Jahren unser Vereinsmitglied Richard Kaiser, mit überraschend guten Erfolgen:

  • „2021 unterstützte ich nur noch ein Drittel meiner Bienenvölker mit einer chemischen Varroabekämpfung - die Behandlung fand im Spätherbst mit 15%iger Milchsäure statt, in fast allen Fällen reichte eine einmalige Anwendung dieser vergleichsweise milden organischen Säure aus. Im Winter 2021/22 ist keines meiner Bienenvölker eingegangen.
  • Bis zum Herbst 2022 hat sich die Situation weiter verbessert: Nur noch eines meiner 17 Bienenvölker bedurfte einer einmaligen Milchsäurebehandlung. Und auch im Winter 2022/23 ist keines meiner Bienenvölker eingegangen. Alle 17 Völker konnten bis Ende April 2023 mit mindestens einer Zarge erweitert werden.“

Zusätzlich erprobte Richard am vereinseigenen Lehrbienenstand in den Jahren 2021 und 2022 sein Verfahren, auch hier mit sehr guten Erfolgen. Konsequenterweise stellte er dann im Rahmen einer Vereinsveranstaltung im Herbst 2022 seine Betriebsweise bildreich vor und beantwortete die Fragen aus dem Publikum. Im Anschluss an seinen Vortrag bildete sich spontan eine Gruppe mit rund 30 Imkerinnen und Imkern, die sich sein Verfahren auch in der praktischen Umsetzung anschauen wollen, was nun in 2023 erfolgt.

Ergebnis der mehr als 20 Jahre laufenden Entwicklungsarbeit von Richard ist eine imkerliche Betriebsweise mit den zwei Kernelementen

            - Bannwabenverfahren

            und
            - Auslese vitaler Bienen.

 

Das Konzept dieser Betriebsweise ist kostenlos per Mail von Richard Kaiser erhältlich.

Hier noch ein paar weiterführende Gedanken von Richard Kaiser:

Bamberg. Seit gut 40 Jahren bereitet die Varroamilbe (Varroa destructor) unserer Honigbiene (Apis mellifera) große Probleme. Ähnlich wie die Pest im Mittelalter durch Flohbisse übertragen wurde, schädigt diese Milbe erwachsene Bienen und Bienenbrut nicht nur dadurch, dass sie diese „anzapft“, auch sie überträgt hierbei oft todbringende Krankheiten, für unsere Honigbiene.

 

"Re-Import" aus Asien

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist in den 1970er Jahren die Milbe mit dem „Re-Import“ von Bienenvölkern aus Asien nach Deutschland gelangt. Die dort heimische Asiatische Honigbiene (Apis cerana) kommt mit diesem Parasiten zurecht – sie entwickelte im Zuge ihrer Evolution wirksame Abwehrmechanismen. Ohne menschliches Zutun durchliefe auch unsere Honigbiene einen entsprechenden, längere Zeit dauernden Anpassungsprozess gegen den in Asien auf sie übergewechselten Schädling. Bis dahin wäre unsere Landschaft jedoch nur mit einer extrem geringen Anzahl von Bienenvölkern besiedelt. Da die Honigbiene aufgrund ihrer Bestäubungsleistung für uns Menschen nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier ist, hätte ein längerer nahezu „honigbienenfreier Zeitraum“ verheerende Folgen für das Überleben von uns Menschen. So war es vernünftig und verständlich, dass die Varroamilbe anfangs – wohl  zunächst nur „als Übergangslösung“ gedacht - chemisch bekämpft wurde, um möglichst viele unserer Honigbienenvölker am Leben zu erhalten. Die chemische Bekämpfung stellt aber auch heute noch, fast ein halbes Jahrhundert später, das Standardverfahren bei der Honigbienenhaltung dar.

Chemie wurde Teil des Problems

In den 1980er Jahren habe ich in Weihenstephan Forstwirtschaft studiert, Thema meiner Diplomarbeit war „Die Varroatose der Honigbienen“. Als Förster versucht man stets, die in natürlichen Systemen steckenden Energien zu erkennen und zu nutzen - nicht gegen, sondern mit der Natur zu arbeiten. Chemische Keulen sind meist nur in kurzzeitigen Notsituationen sinnvoll.

Und auch bei der Varroabekämpfung erweist sich die seit Jahrzehnten praktizierte chemische Bekämpfung zunehmend als Sackgasse: Im Lauf der letzten 40 Jahre verringerte sich kontinuierlich die für das Absterben eines Bienenvolkes bei uns erforderliche Anzahl an Varroamilben. Während Anfang der 1980er Jahre Bienenvölker mit 10.000 Varroamilben meist noch gut über den Winter gekommen sind, liegt heute der kritische Wert bei etwa 3.000 Milben/Bienenvolk. Die Bienen sind offensichtlich immer empfindlicher gegen den Befall mit diesem Parasiten geworden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken „musste“ - ebenfalls kontinuierlich - die chemische Varroabekämpfung intensiviert  werden - vor 40 Jahren war im Jahr ein einmaliger Chemieeinsatz im Winter ausreichend, heute „muss“ zusätzlich auch im Sommer mindestens einmal chemisch bekämpft werden, und weitere Steigerungsmöglichkeiten der chemischen Bekämpfung sind in Erprobung.

Wenn man diese Entwicklung kritisch hinterfragt, drängt sich der Gedanke auf, ob die chemische Bekämpfung nicht ein Teil dieses Problems (geworden) ist. Hierfür spricht, dass der über Jahrzehnte ausgeübte, ständig gestiegene Chemieeinsatz mit einer fatalen Selektionswirkung bei unseren Bienen verbunden ist: Begünstigt werden nicht die Bienenvölker, die besonders robust gegenüber der Varroamilbe und die von ihr übertragenen Krankheiten sind, sondern die Bienenvölker, welche die chemische Bekämpfung „gut“ vertragen. Und ebenso fatal ist, dass auch beim Parasiten die Selektion in gleicher Weise gefördert wird - wer die chemische Bekämpfung am besten wegsteckt, gewinnt. Des Weiteren spricht auch für diese Denke, dass die Bekämpfung, z.B. durch das Verdampfenlassen 60%iger Ameisensäure im Bienenstock, nicht selektiv nur bei den Varroamilben wirkt, es belastet auch die einzelnen Bienen erheblich. Und weiter: Die Bekämpfungen belasten auch das Bienenvolk als Ganzes. Vergleichbar mit einem Medikament bei uns Menschen, das als Nebeneffekt die Darmflora stark stört, schädigen viele der eingesetzten Mittel zusätzlich die im komplexen System Bienenstaat helfenden Mikroorganismen. Als natürliches Abwehrsystem sind diese für die Gesundheit eines Bienenvolkes von großer Bedeutung.

Erfolgreicher Weg ohne Chemie

Da ich mit der aufgezeigten Entwicklung sehr unzufrieden war, habe ich vor gut 20 Jahren begonnen, einen Weg zu einer möglichst chemiefreien Bienenhaltung zu suchen - und auch zu finden. Heute halte ich die Varroamilbe bei meinen Bienenvölkern mittels biotechnischer Verfahren auf ausreichend niedrigem Niveau, zusätzlich züchte ich seit vielen Jahren nur von den vitalsten Völkern nach. Weitere Kennzeichen meiner Betriebsweise sind, dass ich mich auf wenige, meist die natürlichen Abläufe in einem Bienenstaat unterstützende Eingriffe beschränke sowie Störungen des Brutnestes möglichst vermeide.

 

Die Erfolge sind vorzeigbar:

  • 2021unterstützte ich nur noch ein Drittel meiner Bienenvölker mit einer chemischen Varroabekämpfung - die Behandlung fand im Spätherbst mit 15%iger Milchsäure statt, in fast allen Fällen reichte eine einmalige Anwendung dieser vergleichsweise milden organischen Säure aus. Im Winter 2021/22 ist keines meiner Bienenvölker eingegangen.
  • Bis zum Herbst 2022 hatte sich die Situation weiter verbessert: Nur noch eines meiner 17 Bienenvölker (sind auf drei Standorten verteilt) bedurfte einer einmaligen Milchsäurebehandlung. Auch im Winter 2022/23 hatte ich keine Verluste zu beklagen. Alle meine 17 Bienenvölker konnten bis Ende April 2023 mit mindestens einer Zargen erweitert werden.

Im Herbst 2022 startete ich zudem den nächsten Schritt zur weiteren Extensivierung und größeren Naturnähe meiner Imkerei: Alle meine Bienenvölker durften großteils auf eigenem Blütenhonig überwintern. Das funktionierte gut - wie bereits berichtet, hatte ich diesen Winter keine Völkerverluste.

Zusammenfassend meine ich, dass diese erfolgreiche Arbeit der letzten 20 Jahre einen Beitrag zur besseren Überlebensfähigkeit der Honigbiene und auch zum Tierschutz leistet. Zudem stört es mich als Imker und auch als Verbraucher nicht, Honig aus Bienenvölkern ernten zu können, die nicht chemisch gegen Varroa behandelt wurden 😉

Von Varroamilben befallene Puppe einer männlichen Biene.

Ich hoffe, dass möglichst viele Imkerkolleginnen und Imkerkollegen dieses Konzept aufgreifen – es hätte dann u. a. das Potential, die Vitalität unserer Honigbienen auf breiter Fläche zu erhöhen - nicht nur gegenüber der Varroamilbe und der von ihr übertragenen Krankheiten.

„Naturschutz ist gesunder Egoismus des Menschen – wir erhöhen damit unsere eigenen Überlebenschancen“

Richard Kaiser,
Förster und Imker

 

Nächster Termin

Ein Treffen für Imker und solche, die es werden wollen oder Interesse haben.

ORT: Domreiterstübla, Armeestraße, Bamberg

ZEIT: ab 19:00

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